FM-Wahrnehmung - page 72

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FM - Wahrnehmung
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aon gmbh – academy of neuroscience
5. Das somatosensorische System
Das somatosensorische System verarbeitet Informationen aus der Haut, den Gelenken, den Muskeln und
den Eingeweiden. Es ermöglicht die Wahrnehmung sensorischer Qualitäten wie Druck, Kälte, Wärme und
Schmerz. Eigentlich setzt es sich also aus vier verschiedenen Sinnessystemen zusammen: dem Tastsinn,
dem Temperatursinn, der Eigenwahrnehmung des Körpers (Propriozeption) und dem Schmerzsinn. Das
somatosensorische System besitzt enge anatomische und funktionelle Verknüpfungen mit dem moto-
rischen System, da es für die Wahrnehmung des Rumpfes und der Arm- und Beinstellungen im Raum
essentiell ist.
Im Gegensatz zu den bisher vorgestellten Sinnessystemen sind die Rezeptoren des somatosensorischen
Systems nicht in einzelnen Sinnesorganen zusammengefasst, sondern über die Körperoberfläche verteilt
wie die Tastrezeptoren oder in den Organen des Körpers angeordnet wie z.B. die Gelenkrezeptoren oder
Muskelspindeln. Man könnte behaupten, dass das somatosensorische System alle Sinnessysteme des
Menschen umfasst mit Ausnahme des Seh-, des Geruchs, des Geschmacks-, des Hör- und Gleichge-
wichtssinns. Der Mensch verfügt also nicht nur über die berühmten fünf Sinne.
Im folgenden Abschnitt wird das Hauptaugenmerk auf den Tastsinn, den Schmerzsinn und den
Temperatursinn gelegt.
5.1 Der Tastsinn
Die Haut ist das größte Sinnesorgan des Menschen. Mit ihren Rezeptoren stellt sie einen direkten Kontakt
zur Außenwelt her. Sie reagiert auf passive Berührungen oder dient beim Tasten der aktiven Erfahrung
der Oberfläche von Objekten. Das Gehirn interpretiert die von den Rezeptoren stammenden Informa-
tionen, kombiniert sie mit Eingängen aus anderen Sinnessystemen und konstruiert so ein stimmiges Bild
von der Welt und vom Körper.
Die Rezeptoren des Tastsinns sind Mechanorezeptoren, sie reagieren auf physische Deformationen, d.h.,
Vibrationen, Dehnungen, Eindellungen oder Scherungen. Die Mechanorezeptoren besitzen nicht-
myelinisierte Endigungen der Nervenfasern. In deren Membran befinden sich mechanosensitive Ionen-
kanäle, die bei einem mechanischen Reiz, der auf die Membran ausgeübt wird, geöffnet werden. Ist die
Depolarisation stark genug, werden am Beginn der Myelinscheide der Nervenfaser Aktionspotentiale
generiert. Die Nervenendigungen können frei in der Haut liegen oder aber von Hilfszellen umgeben sein,
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